Sonntag, 31. Oktober 2021

31. Oktober - Bild der Burg Zwingenberg

 Darf ich die Entstehung als schwere Geburt bezeichnen?


Manchmal versucht man, Sprache mittels Metaphern intensiver zu gestalten und denkt dabei überhaupt nicht mehr darüber nach, welchen Sinn das verwendete sprachliche Bild tatsächlich erfüllt. So hatte ich mich ein Weilchen darüber geärgert, dass ich einfach nicht mit dem Plein-Air-Aquarell der Burg Zwingenberg (Neckar) fertig wurde. Vier Termine habe ich benötigt, zu denen ich am ersten Tag bei nachlassendem Sonnenlicht die Skizzierung vornahm. Am zweiten Tag nahm ich den Hund mit, der Beschäftigung forderte, so, dass ich gerade mal eben den Hintergrund anlegen konnte. Am dritten Tag hätte ich es fast geschafft, hätte die Sonne vielleicht noch eine klitzekleine Extrarunde über dem Odenwald eingelegt. Aus meiner Sicht ließ sich dieser langwierige Entstehungsprozess bildlich als schwere Geburt bezeichnen.

Im Grunde genommen muss ich jedoch zugeben, dass ich diesen Begriff für abwertend gegenüber dem Geburtsprozess empfinde. Denn eine schwere Geburt hatte vor über 27 Jahren meine damalige Frau bei der Entbindung meiner ältesten Tochter. Und die Schwere dieser Geburt zeichnete sich durch absolut fiese Eigenschaften aus. Damals waren wir und dabei natürlich hauptsächlich meine Frau hilflos den kräftezehrenden Wehen für über 36 Stunden ausgesetzt. Die Hebammen schickten sie immer wieder weg, bis dann irgendwann wohl der richtige Zeitpunkt eintrat. Selbst dann ging es mit der Hilflosigkeit weiter. Die Kräfte meiner Frau waren aufgezehrt, das Baby drohte im Geburtskanal zu ersticken und insgesamt war die Situation einfach nur übel. Meine damalige Frau sowie meine Tochter bewundere ich immer noch dafür, dass sie diese Geburtstortur überstanden haben! 

Wer so eine echte schwere Geburt als einen Prozess des (Mit-) Leidens, der Hilflosigkeit, der Ausgesetztheit und der Angst miterlebt hat, wird zu recht infrage stellen dürfen, wieso ein langwieriger Schaffensprozess derart dreist mit einer schweren Geburt gleichgesetzt wird.

Freitag, 22. Oktober 2021

Entstehung des Ölbildes einer ehemaligen Tankstelle bei Bad König am 16.1.20

Wie entsteht so ein Bild einer ehemaligen Tankstelle?


Die von mir hoch geschätzte amerikanische Malerin
Jessica Henry Gray macht sich gerne vor dem Malen ein paar Konzeptentwürfe für das zu erstellende Bild in ihr Notizbuch. Der ebenfalls von mir hoch geschätzte deutsche Urban Sketcher und Designer Jens Hübner hingegen baut sich in seine Bilder einen Rahmen von ungefähr einem Viertel der Größe des Papierformats, in dem die für ihn wichtigsten Bildelemente dargestellt werden sollen. Die Bereiche außerhalb des Rahmens hingegen haben nur noch eine zweitrangige Bedeutung, sind meistens weniger deutlich abgebildet und werden von Jens Hübner auch gerne einfach weiß gelassen. Thomas Freund, der mich mit seiner unfassbaren Geduld mit den Geheimnissen der Plein-Air-Ölmalerei vertraut gemacht hat, springt im Gegensatz zu den beiden vorgenannten Künstlern nahezu direkt in das kalte Wasser. Er nimmt eine dunkle Farbe, verdünnt diese mit Terpentinöl, und macht sich mit einem schmalen Borstenpinsel eine Vorskizze seines Vorhabens direkt auf seinen Malgrund. Die verdünnte Ölfarbe lässt sich gut mit einem terpentingetränkten Lappen wieder entfernen, so dass Korrekturen des Konzeptes jederzeit möglich sind.

Ich hingegen in meiner noch etwas mageren Weisheit habe anfänglich nach alter Maler Sitte mittels Kohle mein Vorhaben auf die Leinwand skizziert, indem ich als Erstes den oben erwähnten Rahmen von Jens Hübner in das Bild platzierte und mich dann skizzierend von dem Kern des Bildes in die Außenbereiche vorarbeitete. Die Kohle habe ich längst aufgegeben. Denn sie stellt für die folgenden Arbeitsschritte ein unangenehme Herausforderung dar, wenn verdünnte Ölfarbe sich mit ihr vermischt und ich auf dem Bild unsaubere Farben erhalte. Inzwischen zeichne ich nur noch mit Ölfarbe und Pinsel.


Von dieser Zeichnung aus geht es dann für mich nicht selten mit dem selben Pinsel weiter, indem ich den deckenden Hintergrund mittels ebenfalls stark verdünnter Ölfarbe auftrage. Dieser Hintergrund stellt im Grunde die dunkelste Grundfarbe der jeweiligen Flächen dar. Auf diese Weise steht mir nach dem recht zügigen Antrocknen der ersten Farbschicht ein Fundament des Bildes zur Verfügung, welches ich "nur noch" in der nun folgenden Schicht mit den korrekten Farben auszumalen habe. 

  
Das kann jedoch dauern! Denn anders als bei der Aquarellmalerei muss ich beim Ölbild jede Schattierung und jedes Licht farblich genau abmischen und auftragen. "Mal eben" mit einem Violettton über die Schattenpartien drüberziehen geht in Öl leider nicht! Abhängig vom verfügbaren Licht und Wetter besteht nebenbei noch die Aufgabe, Farben und Schattierungen konsistent fortzuführen. Ist das aus irgendeinem Grunde nicht möglich, weil zum Beispiel eine Abenddämmerung alles blau färbt oder ein Regenguss das Weiterarbeiten unmöglich macht, muss ich halt abbrechen und an einem der Folgetage an den Ort des Geschehens wiederkehren, um das Bild fertig zu stellen.



Auch Erschöpfung, Unterkühlung, Hitze, Hunger und Durst können die Fähigkeiten, ein Bild vernünftig zu vollenden, erheblich beeinträchtigen. Um den störenden Einfluss der letzten beiden Faktoren zu minimieren, halte ich in meinem Auto auch immer eine kleine Campingküche und ausreichend Essen verfügbar. Eine Campingliege als Bett ermöglicht es mir, auch mal ein kleines Nickerchen abzuhalten, wenn Augen, Verstand und Finger durch die Müdigkeit ihre Kooperationsbereitschaft aufkündigen. 

In dieser, für einen Maler doch sehr luxuriösen Aufstellung kann ich es mir dann auch leisten, während der Autoreise spontan und ziemlich unvorbereitet ein Motiv in Angriff zu nehmen. 

Auf diese Weise ist das Bild "Ehemalige Tankstelle bei Bad König" während einer Autofahrt auf der B45 entstanden, die als eine der Magistralen den Odenwald von Norden nach Süden zwischen Dieburg und Eberbach durchschneidet. Häufig bin ich an diesem Objekt einer, zu einem kleinen Wohnhaus umgebauten, ehemaligen Tankstelle vorbei gefahren. Doch an diesem 16. Januar 2020 sorgte das winterliche Licht dafür, dass mich das Gelb des Gebäudes dazu motivierte, mich malerisch mit dem Szenario auseinander zu setzen. Vorgemalt habe ich das Bild zur Mittagszeit, bis mich mein Hunger wie auch die niedrigen Temperaturen dazu zwangen, die Leistungsbereitschaft meiner Körperfunktionen mittels warmer Küche und einer guten Menge heißen Kaffees wieder herzustellen. Die Verzögerung der Pause brachte mir eine neue Lichtstimmung, als ich den Spachtel wieder in die Hand nahm. Das dezente Lila des Nachmittagshimmels gefiel mir derart gut, dass ich es mit in das Bild übernahm. Irgendwann, kurz vor dem sehr frühen Sonnenuntergang war das Bild beendet und der Malplatz wieder geräumt. Das Bild habe ich dann auf der Staffelei eingespannt horizontal im Auto liegend nach Hause transportiert. Auf der Heimfahrt sorgte die Heizung dafür, dass sich die langsam eingetretene Unterkühlung wieder fing und ich somit aufgewärmt, müde und zufrieden die Heimat erreichte. 

Da ich nicht immer während einer Fahrt die Zeit für ein Bild eingeplant habe und sich mir gelegentlich auch mehr als eine Malstelle empfiehlt, markiere ich mir immer wieder in Google Maps Orte, die ich gerne einmal malen möchte. Nicht selten dauert es sehr lange, bis ich diese dann auch tatsächlich in Angriff nehme, da mich meistens spontane Entscheidungen zur Schaffung eines Bildes wesentlich mehr begeistern. Aber auch nur, weil ich mir keine Sorgen um meine Versorgung während des Malprozesses zu machen brauche.

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