Samstag, 6. November 2021

06.11.2021 Burg Hirschhorn Blick durch das Nordtor auf den Torbau

 Erst das Bild, dann das Photo


In der Sommerzeit fällt es eher selten auf, dass ich grundsätzlich erst mein Bild fertig stelle, bevor ich das gemalte Sujet fotografiere, also das Referenzbild erstelle. Im Winter jedoch fällt dieses Vorgehen auf, da nicht selten das Bild gerade noch im Dämmerlicht fertig gestellt wurde, das Referenzfoto jedoch erst in der Dunkelheit gemacht wird.

So habe ich auch gestern erst relativ spät in dem Blick durch das Nordtor der Burg Hirschhorn auf den Torbau ein nettes Motiv gefunden, dass ich bei gelegentlichem Nieselregen sogar im Auto in eine Zeichnung übernehmen konnte. Da dieses Bild nicht ganz frei von Details ist, habe ich mich bis in die späte Dämmerung damit beschäftigt. Entsprechend überrascht war ich, als plötzlich die Beleuchtung ansprang und eine ganz neue Stimmung vermittelte. Zum Glück war zu diesem Zeitpunkt nur noch das Straßenpflaster fertig zu stellen. Doch die Fotos von dem Motiv konnte ich nur noch bei dieser Beleuchtung anfertigen.

Warum fotografiere ich erst nach Fertigstellung meines Bildes?

Seitdem ich Anfang 2018 mit der realistischen Malerei angefangen habe, treibt mich der Ehrgeiz, Bilder nicht Zuhause nach Fotos zu malen oder auch nur fertig zu stellen. Dieser Ehrgeiz ist einerseits von den Grundgedanken des Urban Sketching oder der Plein-Air Malerei getrieben, nach denen man vor Ort Motive erfasst und abbildet, um eine deutlich höhere Authentizität als bei Studioarbeiten zu erreichen. Zusätzlich habe ich mir vorgenommen, meine Ausflüge und Erlebnisse nur noch mittels meiner Bilder zu dokumentieren. Die moderne Fotografie war mir einfach zu beliebig, oberflächlich und irrelevant geworden. Ich wollte nicht so bildlich erleben, wie die Millionen von Touristen zum Beispiel auf der alten Brücke von Heidelberg es tun: Mit einem elektronischen Bilderfassungsgerät ausgerüstet werden innerhalb weniger Minuten hunderte Bilder geschossen, von denen wenig später eins noch per WhatsApp, Instagram oder Facebook mit der Welt geteilt wird, um dann mit dem Rest der Bilder im Nirvana eines riesigen Servers auf Nimmerwiedersehen zu verschwinden.
 
Natürlich halte ich diesen Grundsatz nicht immer durch. Auch ich habe zum Beispiel aus Zeitgründen Fotos von einem komplizierten Motiv angefertigt, um das begonnene Bild oder eine Bildidee daheim fertig stellen zu können. Dabei musste ich allerdings feststellen, dass für mich die Spannung des Malens und Zeichnens an dem heimischen Schreibtisch oder der Staffelei im Atelier zusammenbricht. Entsprechend muss ich zugeben, dass von vielen geplanten oder nachträglich fertig zu stellenden Bildern bisher noch nicht einmal eine Handvoll dieser Projekte umgesetzt wurden. Das hat auf der einen Seite natürlich den Grund, dass ich mich Plein-Air, also direkt vor Ort, malend wesentlich wohler fühle als im Retortenprozess zu Hause. Andererseits habe ich auch merken müssen, dass der gesamte Prozess der Motiverfassung, Abstraktion und Komprimierung auf brutale Weise unterminiert wird, wenn ein unveränderliches Foto als Grundlage des Bildes vor mir liegt. Dabei kommt es immer mehr zu einem Kopier- oder Anpassungsvorgang. Letzterer gerade dann, wenn das Bild vor Ort angefangen wurde und ich dann "in Ruhe" plötzlich noch Unterschiede in den Details zwischen Foto und Skizze entdecke, die entweder korrekt zusammenpassen oder mittels irgendwelcher Kunstgriffe zusammengefügt werden müssen. Meine große Liebe sind diese Bilder nicht. Auch wenn ich mich mit der Zeit schon mit ihnen identifiziere kann.

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