Organisation trifft Anarchisten oder warum ich mir mit Kursen so schwer tue
in der Zeit vom 19. bis zum 23. August 2019 habe ich an einem Plein-Air Öl-Malkurs unter der Leitung von Thomas Freund in Friedrichstadt teilgenommen, den ich zum Anlass nehmen will, ein paar Worte über mein Verhältnis zu Malkurse zu verlieren. Bei der Gelegenheit lasse ich mich auch noch etwas über die Plein-Air Ölmalerei aus.
Plein-Air-Kurse haben im Allgemeinen die Eigenschaft, in freier Landschaft abgehalten zu werden. Zur Belustigung der Kursteilnehmer wird seitens der Kursleitung dabei penibel darauf geachtet, dass sich durch regelmäßige Standortwechsel keine Langeweile bei den KundInnen einstellt. Zwischendrin werden noch Mittagspausen und Ab- und Anfahrten sowie Demos und Briefings eingetaktet. Insofern ist es nicht unüblich, von der rechnerisch verfügbaren Zeit gerne einmal zwei Drittel für das Rahmenprogramm abziehen zu können, bevor dann endlich das verbliebene Drittel malend genutzt werden kann. Für mich als Öl-Anfänger ein nahezu unüberwindbares zeitliches Problem. Denn die automatischen Abläufe des Aquarellisten werden im Ölmalprozess mal eben auf den Kopf gestellt:
Vorzeichnung am liebsten mit dem Pinsel und stark verdünnter, dunkler, Farbe, da Kohle, Rötel und Grafit sich gerne mit dem Terpentin wieder anlösen und so eine unangenehme und vor Allem unerwünschte Tönung in die erste Schicht bringen.
Dann die Vormalung, in der die dunkelsten Töne der jeweiligen Flächen ebenfalls stark verdünnt aufgetragen werden.
Anschließend das einschichtige Aufbringen der zielgenau gemischten Farben. Dieser butterweichen pastösen Schicht sollte keine weitere folgen, da wir ja im Plein-Air-Bereich eher selten die Möglichkeit haben, in Analogie zum Aquarell die Trocknung abzuwarten. Bei dem Versuch dürften schon einige Generationen von Ölmalern den Hungertod gestorben sein.
Dann aber doch, wenn der Dozent gerade einem den Rücken kehrt, noch ein paar helle Höhungen und Variationen mit der Geschicklichkeit eines Haut-Transplantateurs auf den wabbeligen Untergrund auflegen und hier und da nach erhaltenem Feedback das selbige wieder abzukratzen und durch eine andere Farbgebung ersetzen.
Zum Schluss folgt eine schnelle Reinigung der Pinsel und Spachtel, der Zusammenbau des Mal-Mobiliars und nach erfolgreicher Verpackung (Verschraubung) des berührungsempfindlichen Ölbildes noch die Selbstreinigung mit ordentlich Terpentin. Gerade bei den ersten Ölbildern hätte ich besser daran getan, mich einfach über eine 200 x 150 cm Leinwand zu wälzen und so nette Monoprints in Öl anzulegen.
Schnell kommt man dabei zeitlich in's Schwitzen. Vor allem so ein hundertprozentiger Typ wie ich, der sich partout weigert, zuhause anhand einer Fotografie weiter zu malen.
Diese Kombination aus knapper Zeit gepaart mit einem eng getakteten Rahmenprogramm geht auch mit Urban Sketching oder anderen Malkursen, in denen eine neue Technik erlernt werden will. Ich für meinen Teil gehe gerne mit dem inneren Ansatz in solche Kurse, bereits nach kürzester Zeit zufrieden stellende Fortschritte zu erkennen. Momente, in denen es überhaupt nicht vorwärts geht, sind für mich grundsätzlich unakzeptabel. Ergo erlebe ich eine, für die Dozenten nicht immer glückseelig machende, Lernkurve:
Tag 1:
- Start mit voller Euphorie und Selbstvertrauen
- Nach spätestens einer Stunde praktischen Arbeitens der Zusammenbruch
- Gedanken an Aufgabe, Ärgere mich über Material, Dozenten und vor allem meine Unzulänglichkeiten
- Freundliche Worte erreichen mich nicht
- Abends geht es euphoriebefreit in das Bett
Tag 2:
- Start mit neuen Kräften und gemäßigten Erwartungen
- Vielversprechender Beginn des praktischen Arbeitens
- Ansteigendes Selbstvertrauen
- Probleme mit Details und Umsetzung reißen mir wieder den Boden weg
- Jetzt verzweifele ich. Hinschmeißen ist der erste Gedanke.
- Der von mir innerlich heimlich verfluchte Kursleiter schafft es, mich wieder aufzurichten.
- Ich überlebe auch diesen Tag
Tag 3:
- Neues Motto: Ich lasse mich nicht kleinkriegen! Jeder fängt mal klein an!
- Es geht gut voller Konzentration voran.
- Aber warum sind die anderen alle schneller?
- Ich schaffe es einfach nicht.
- Schmeiß den Scheiß doch einfach weg!
- Ich glaube, diese Technik und ich werden keine Freunde!
- Oh! Die packen schon zusammen! Ist es wirklich schon so weit?
- Boah! Jetzt sitzen die total locker und gesprächig am Tisch und ich fühle mich derart platt!
- Und noch eine Runde! Oh Nein! Nur drei verbleibende Stunden!
- Aber ich werde dennoch ein größeres Format probieren. Wäre doch gelacht!
- Jetzt packen die schon wieder zusammen! Ich kann's nicht fassen...
- Habe ich jetzt wirklich alles zusammengepackt? Wo ist denn jetzt meine Mütze? Ist die Staffelei dabei? Au man! Bin ich heute im Arsch!!!
- Warum können die Kursleiter den Tag 3 nicht einfach ausfallen lassen?
Tag 4:
- Parole: Durchhalten! Irgendwas wirst Du schon mitnehmen aus dem Kurs!
- Oh, die anderen sehen aber auch gut platt aus.
- Nun gut, dann legen wir mal los.
- Heute klappt überhaupt nichts!
- Wieso findet der Kursleiter ausgerechnet heute meine Umsetzung so gut?
- Halte durch!
- Na ja. Den Tag habe ich auch überstanden.
- Zum Glück ist morgen Schluss!
Tag 5:
- Nee! Die anderen sind schon wieder so locker drauf! Und mir fehlt immer noch die Durchhalteparole für den Tag!
- Ich mache einfach. Notfalls auch in einer meiner Lieblingstechniken. Hauptsache, ich habe was gemacht und bin nachher damit zufrieden.
- Aber mal ganz ehrlich:
- Ich nehme nie wieder an so einem langen Kurs teil
- Schon gar nicht mit diesem Kursleiter
- Und diese Technik trete ich gleich heute Abend in die Tonne!
- Na ja! So schlimm war es heute auch nicht.
- Trotzdem sollte ich das mit den Kursen zukünftig sein lassen. Zumindest keine Kurse, die:
- so eng getaktet sind,
- länger als zwei Tage an einem Stück stattfinden,
- mit häufigen Ortswechseln verknüpft sind (da muss ich mich einfach nächstes Mal vorher informieren)
Tag 6 bis 14 irgendwo unterwegs oder zuhause:
- Ich brauche dringend Praxis in dieser neuen Technik!
- Ich sollte dringend irgendwo hinfahren, wo ich in Ruhe ausprobieren kann.
Monat 2 bis ... irgendwann:
- Ha! Heute geht's wieder los!
- OK, ich war ein bisschen langsam. Aber Meister fallen nun mal nicht von den Bäumen. Ich komme Morgen um die gleiche Zeit wieder und mache weiter.
- Na, ob das Bild noch was wird?
- Oh Björn!!! Was hast Du gestern bloß für einen Scheiß gemacht!
- Lässt sich alles korrigieren.
- Und vielleicht hier noch eine kleine Höhung?
- Mal ganz ehrlich: Ich glaube, dass der Kursleiter selten Teilnehmer hat, die so viel aus seinen Kursen mitnehmen wie ich.
- Boah! Sieht das Bild gut aus!
- Das mit den Schatten dort, den Lichtflecken hier und der Perspektive mache ich das nächste Mal anders. Aber das Bild gefällt mir total!
- Ich bin einfach nur gut!
- Ob es nicht noch einen Kurs zu dem Thema gibt?
- Oh! Das Ostsee Plein-Air Festival ist schon ausgeschrieben! Da muss ich mich doch gleich mal anmelden. Was gibt es denn so für Kurse?
- Ich freue mich schon auf den Kurs! Wird bestimmt total toll! Wieder mit dem Rad durch die Kühlung! Mittagessen dort, Kaffee da und um sieben zum Abendessen mit den Leuten treffen.
Und mit dieser neu gefundenen Wahrheit geht es dann wieder von vorne los...
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