Schutzheilige in Ostfriesland?
Lukas ist der Schutzheilige von uns Kunstmalern. Er ist nicht der erste dokumentierte Maler, er ist kein berühmter heiliger Maler aber er hat etwas getan, was ihn in für diese Rolle geprägt hat: Er hat als erster und vielleicht einziger für die Jungfrau Maria als Auftragsarbeit ein Portrait angefertigt. Diese, wahrscheinlich auch erste Ikone ließ ihn in die Rolle des Schutzheiligen unserer Zunft, der "Lukasgilde" schlüpfen. Man muss allerdings wissen, dass er ebenfalls Schutzheiliger der Ärzte, Chirurgen und der Kranken, der Metzger und des Viehs ist. Gerade bei den letzten Beiden hat er sicherlich so manch einen Interessenkonflikt auszustehen, der dem seiner derzeitigen irdischen Vertreterin Julia Klöckner entspricht. Und mit dieser Dame komme ich auch wieder zurück nach Ostfriesland.
Das Leben in Ostfriesland wird letztlich von einigen wenigen Faktoren bestimmt. So gilt das Meer als Nahrungsquelle und Arbeitgeber für die vielen dort aktiven Berufsfelder. Auch gilt es als der Raum, um den man mehrmals jährlich ringt, indem man aus dem Meer Land zu gewinnen versucht und andererseits hinnehmen muss, dass das Meer sich auch wieder Land nimmt. Als erstes Hindernis nach dem Weg über die platte Nordsee muss Ostfriesland auch den Wind und die feuchte Luft abbremsen. Die Folge ist ein lustiger Wetterwechsel, der jeden "Normalo" ohne einen Tauglichkeitsnachweis als Friese mürbe machen kann. "Wind" ist in Ostfriesland alles bis Windstärke 10 / 11. Danach bläst es. "Regen" ist in Ostfriesland eher nicht definiert. Ab einer bestimmten Wassermenge zieht man was gegen die feuchte Luft an und dann ist gut. Und die Luft ist schon deshalb rundum feucht, weil in Ostfriesland das Wasser im Normalfall nicht von Oben kommt sondern von der Seite. Deshalb kann der Ostfriese auch die Menschen nicht verstehen, die mittels dieser perversen Regenschirme nur anderen Leuten irgendwelche Stahlspitzen in die Augen hauen, ansonsten aber direkt unterhalb der Schirme in den Genuss der waagrechten Dusche kommen. Auch der Himmel entsprechend launische Himmel wird hingenommen, wie in Japan die Erdbeben. Egal, ob einem die Sonne brutal aus einem tiefen Blau auf das Hirn brennt, wunderschöne Wolkenformationen im D-Zug-Tempo über die Landschaft rasen, der Nebel den Weg zum Stall zum Abenteuer macht oder sich besonders gerne nach dem Sommer für viele Monate eine schwere, dunkelgraue Betonplatte über den Windrädern ablegt. Die Stimmung ist immer freundlich und gelassen. Kritisch könnte das Leben nur werden, wenn Dornkaat und Tee aus wären. Das entspräche dann der sprichwörtlichen Angst der Gallier vor dem herabstürzenden Himmel...
Weil ja im Grunde genommen das Leben in Ostfriesland geregelt ist, benötigt man auch kaum Schutzheilige.
Und genauso ist das auch mit uns Freiluftmalern. Denn uns hilft weder der gute alte Lukas, welcher spätestens durch die Selfie-Fotografie ernsthaft arbeitslos geworden ist, noch der Heilige Petrus als Kümmerer der Schiffbrüchigen. Vielleicht könnte sich für mein fahrendes Atelier mit Schlafstatt der gute alte Christophorus zuständig fühlen, der im alten Ford 12M meiner reisefreudigen Großeltern auf dem Armaturenbrett klebte. Oder auch die Petronilla, welche als Schutzpatronin der Reisenden im Vergleich zu ihrem Kollegen Valentin keinen kompromittierenden Nebenjob als Schutzheiliger der Liebenden hat, welcher den Malenden eventuell die Heimkehr erschweren könnte. Angesichts der Ausfälle von Freiluftmalern wie Edvard Munch und Vincent Van Gogh sollte ich mir jedoch überlegen, ob Valentins Erfolge beim Eindämmen von Wahnsinn, Epilepsie und Pest (Jetzt vielleicht Corona?) ein guter Grund wären, mich bei diesem Heiligen nicht unbeliebt zu machen.
Es gibt jedoch eine, eigenartiger Weise sehr unbekannte Dame, deren Gewogenheit Freiluftmaler hoffnungslos ausgesetzt sind. Diese Dame heißt Victoria von Cordoba und arbeitet als Schönwetterbeauftragte meistens in unserem Interesse. Zumindest dann, wenn das Schönwetter unserer Definition beindruckender Wetterszenarios unter gleichzeitig trockenen und maximal leicht windigen Arbeitsbedingungen entspricht.
In Rysum im Westen Ostfrieslands machte ich die Probe auf das Exempel. Nur rief ich fälschlicher Weise den heiligen Petrus an und bat um eine trockene Zeit zum Erstellen meiner Ölbilder. Für mich als gebürtigen Bremer eine natürliche Aktion. Doch bewegte ich mich in Ostfriesland eindeutig außerhalb seines Patronates. Auch teilte er mir während des Malens in Ostfriesland recht freundlich mit, dass er entgegen eines volkstümlichen Irrtums für das Wetter nicht zuständig sei. So lernte ich dem launischen Wetter entsprechend, meinen Malplatz sehr zügig auf- und abzubauen und das wasserempfindliche Ölbild durch das schlechte Wetter wohlbehalten in meine Ferienwohnung zu tragen. Deshalb verfehlte ich an diesen fünf Tagen mein Ziel von täglich zwei Ölbildern auch nur unwesentlich, indem ich insgesamt nur zwei Stück insgesamt fertig stellte.
Diese zeigen zum Einen die wirklich schön restaurierte Rysumer Mühle im Gebäude-Ensemble der nordwestlichen Ortszufahrt über die "Lange Lohne" ...

... sowie die Straße "Judenlohne" mit ihrem nach Süden ausgerichteten Blick über die Weiden und Felder der Gemarkung. Linker Hand sind auf diesem Bild die Gebäude des "Rysumer Fuhrmannshofes", Heimat und bekannte Eventlocation der Weltklassik.de.

Am Samstag, dem 07.09. genoss ich zum Aufwärmen nach einem langen Maltag einen guten ostfriesischen Tee im, nur Samstags geöffneten, Mühlencafé.

Anschließend folgte eine Tour nach Emden, wo ich im Hafen nach dem Genuss eines leckeren Backfischbrötchens das Feuerschiff im Sonnenuntergang zeichnete.

Am darauf folgenden Sonntag traf ich mich dann mit der Urban Sketcherin Annette Wiechert mitten im Fehnland zum Quatschen und Zeichnen (Sketch'ntalk). Wir zeichneten in Ilowerfehn am Feenmuseum "De Grotsche Huus" eine kleine Remise.

Wobei Annette einen erheblichen Zeitvorteil dadurch rausholte, dass sie sich nicht einer "Talk'nView"-Tour (Quatschen und Gartenführung) durch einen typisch ostfriesisch kommunikationsfreudigen Freund des Hausbesitzers anschloss. Aber so lernte ich einen netten Menschen kennen, den ich immer noch im Verdacht habe, in Wahrheit Ingo Insterburg inkognito gewesen zu sein, der sich nach seinem offiziellen Tod in Berlin nun auf seinen Altenteil in Ostfriesland zurückgezogen hat...
Nach diesem schönen Maltag musste ich am folgenden Morgen voller Trauer meine neue Heimat Rysum wieder verlassen. Langsam folgte ich den Nebenstraßen, bis ich mich in dem Wurtendorf Groothusen, Niedersachsen, Germany zu einer kleinen Besichtigungstour entschloss, um anschließend dem Wegweiser zur Osterburg zu folgen. Diese liegt inmitten eines verwunschen "lost park" (verlorenen Parks), der schon alleine die Investition von ein paar Zeichentagen wert ist.

Zum Abschluss zeichnete ich die Osterburg, während sich die Besitzer und Bewohner mit mir über die Burg, das Leben darin und die vielen Renovierungsvorhaben austauschten.
Zeichnen, Reisen und Malen in Ostfriesland sind nach meiner bisherigen Erfahrung mit zwei wesentlichen Komponenten, dem schnell wechselnden Wetter und den kommunikativen Menschen, verknüpft. Ohne den überwiegend blauen Himmel mit rasant durchziehenden dramatischen Wolkenbildern und den vielen netten Unterhaltungen hätte diese umwerfend schöne Gegend sicherlich nur halb so heftig auf mich gewirkt.


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